Großglockner, die Nordseite – ein Experiment

Eigentlich wäre die Kathi ja am Frequency (Musik Festival) gewesen und die Tour hätte nie stattgefunden – aber wiedermal hat Corona zugeschlagen und das Frequency wurde abgesagt.

– Jo Kathi hast du jetzt eigentlich Zeit das Wochenende statt dem Frequency?

– Joa eigentlich hab ich jetzt sogar viel Zeit!

Cool! Klar war, dass es mal wieder Zeit für eine Hochtour ist. Kathi und ich haben uns irgendwie in hochalpine Grattouren verliebt – Stüdelgrat am Glockner und Dirndlüberschreitung am Dachstein haben wir letzten Herbst schon gemacht – Und diesmal haben wir die Auswahl schnell auf zwei Optionen reduziert:

Option 1: Der Großvenediger Nordgrat.

Die gemütliche Option – bewirtschaftete Hütte, schöne Gratkletterei in festem Fels, toller Berg – klingt alles spitze! Wäre da nicht dieses Kitzeln, dass ich immer noch eins drauflegen muss:

Option 2: Großglockner/Glocknerwandüberschreitung

Die Glocknerwand-Überschreitung für sich ist ja schon alleine eine anspruchsvolle Tour. (link Michi k), die normalerweise von der Stüdelhütte gemacht wird. Aber auf der Stüdelhütte war ich ja jetzt schon ein paar mal und ich wollte mal wieder was neues. So viele Hütten gibts um den Großglockner dann garnicht wenn man so schaut – aber eines gibt es schon: das Glocknerbiwak. Das wurde ja letztes Jahr erst neu erbaut und ist so laut Erzählungen von Freunden von einer der grauslichsten Biwakschachteln Österreichs (Schimmel, immer überfüllt,…) zu einer der wohl coolsten und schönsten geworden (was ich jetzt bestätigen kann).

Irgendwie hat das kitzeln wieder gewonnen und wir haben uns nicht für die offensichtliche (aber trotzdem mega coole) Tour entschieden, sondern für die Abenteuer-Variante, die für uns ziemlich am Limit ist.

Großglockner und einige Gipfel der Glocknerwand

Der Plan

  • von der Franz Josefshöhe zur Pasterze absteigen und diese überqueren
  • über das Glocknerkees auf den Grat und zur Biwakschachtel aufsteigen, dort schlafen
  • am nächsten Tag früh aufstehen und dann den Grat hinauf zur Hoffmansspitze gehen
  • die Glocknerwandüberschreitung machen
  • vom Großglockner über den Normalweg absteigen und im Lucknerhaus schlafen
  • am nächsten Tag über normale Wege wieder zurück zum Auto (Franz Josefs Höhe) gehen

Beim recherchieren bin ich recht schnell draufgekommen, dass ich wahrscheinlich nicht der erste mit dieser Idee bin – aber viele Leute haben das sicher noch nicht gemacht. Über die Tour in der Gesamtform findet man mal garnichts. Zur Glocknerwandüberschreitung findet man einige Posts. Zur Biwakschachtel findet man auch nicht wirklich Informationen über den Zustieg – hauptsächlich kommen die Leute hier ihm Frühjahr um die Eisrinnen (Mayerlrampe & Pallavicinirinne) zu klettern. Im Sommer ist hier scheinbar sehr wenig los. Was mir aber am meisten Sorgen machte ist, wie der Grat von der Biwakschachtel bis kurz vor der Hoffmansspitze (wo dann quasi die Glocknerwandüberschreitung beginnt) aussieht. Ein kurzer Anruf beim Kaiser Bergführerbüro und dem Wirt der Oberwalderhütte ergab: Jo das kann man schon machen – das sollte gehen – aber sehr überzeugt haben sie jetzt auch nicht gewirkt. Eher ein bisschen wie „wieso wollen sich die depperten Wiener den scheiss antun ;). Aber egal – irgendjemand muss es ja mal probieren!

Der Weg zur Biwakschachtel

Um 06:00 Aufbruch aus Bischofshofen, wo die Kathi schon war und ich bereits am Abend hingefahren bin. Ich als Wiener war schon schwer beeindruckend, dass man vom Stadtzentrum in Bischofshofen über die ganze Hochalpenstraße bis zur Franz Josefshöhe nur eine knappe Stunde vierzig Stunden braucht, nicht 5 Stunden von zu Hause wie letztes mal.
So waren wir perfekt nach Plan um 07:45 im Parkhaus Gletscherbahn auf der Franz Josefs Höhe.
Für uns war das übrigens das erste Mal auf der Hochalpenstraße, und wenn man die um 07:00 früh das ganze Bergpanorama fast für sich alleine hat, dann versteht man schon, wieso hier jedes Jahr so viele Deutsche, Asiaten und Motorradler rauffahren wollen.

Blick aus dem Auto

Von hier beginnt man erstmal mit ca. 200hm Abstieg über einen super befestigten Weg (hier gehen auch alle Tagestouristen, die die Pasterze sehen wollen), der bis zum Gletschertor führt. Um dann auf auf den Gletscher selbst hinaufzukommen haben wir schon ein bisschen schauen müssen, weil ab hier ists vorbei mit Wegen. Durch viel Sand und lose Steine mit Eisresten dazwischen sind wir über die rechte Seite auf die stark schuttbedeckte Pasterze gekommen. Insgesamt ein eher trauriger Anblick. Immerhin konnten wir die Gletscherzunge dadurch gefahrlos ohne Steigeisen und Seil überqueren.

  • Im Abstieg auf die Pasterze

Um auf der gegenüberliegenden Seite der Pasterze auf das Glocknerkees zu kommen nimmt man am Besten den alten Hoffmansweg (der neu markiert wurde), aber vor allem im unteren Bereich in sehr schlechtem Zustand ist).
Da wir das nicht wussten, haben wir uns für die „direktere Route“ entschieden – also einfach ab durch die Mitte Richtung Glocknerkees und dann den flachsten Teil des Hanges. Es war nicht einfach – loser Schutt, grobes Blockwerk und zwischendurch Kletterei in einem steilen Bach oder flachen Wasserfall (wie mans sieht 😉

Wie wir endlich am Glocknerkees waren wir echt happy, dass der sch*** endlich vorbei war und wir am unteren Teil des Gletschers trotz Seil schnell (höhen-)Meter machen konnten. Nach ca. 150 Höhenmetern steilt der Gletscher jedoch stark auf und wird extrem brüchig. Auf Empfehlung des Hüttenwirts haben wir uns auf dem Firnfeld am rechten Gletscherrand gehalten – auf der Querung kommt man allerdings zwei mal an gröberem Steinschlag vorbei, der durch Geröll, das am schmelzenden Gletscher liegt ausgelöst wird. Steinschlag am Gletscher… Ist mir auch noch nie passiert..

Am unteren Glocknerkees – Kathi zeigt mit dem Pickel auf die Biwakschachtel am Grat

Das Seil haben wir hier weggegeben, denn jetzt wird es so steil, dass die Mitreissgefahr zu groß wird. Immerhin hat das ca. anfangs 30, dann 50 grad steile Schneefeld hatte aber super Trittfirn, sodass wir gut weitergekommen sind. Das hat uns auch gefreut, weil eigentlich am späteren Nachmittag ein Gewitter angesagt war.
Nach der Steilstelle flacht das Gletscherbecken wieder ab. Durch die Brücken in der Mitte des Gletschers konnten wir gut überhalb der Schachtel auf den Grat steigen und dann die wenigen Meter zum Biwak absteigen. Wer im Sommer kommt darf nicht vergessen, vom Gletscher noch genug Schnee mitzunehmen, weil am Grat und beim Biwak gab es dieses mal keinen mehr.

Der Rest des Nachmittags und Abends war ein Traum – wir waren komplett alleine in der Biwakschachtel für 15 Leute. Die war für eine Biwakschachtel wirklich sauber und mit weichen Matratzen und genügend Decken ausgestattet. Und es wurde noch besser: Das angekündigte Gewitter war im Endeffekt lediglich ein bisschen Nieselregen am Abend. Ein unglaublich geiler Spot mit Wahnsinnsblick auf Glockner, Pasterzenboden, Johannisberg, Oberwalderhütte und viele mehr. Aufgeregt für die anspruchsvolle Tour am nächsten Tag gehen wir schlafen.

Mein Wecker läutet um 02:00. Leider ist der Wecker nicht das einzige, dass in unserer Biwakschachtel Lärm macht – der Wind pfeift mit Vollgas über den Grat. Beim morgendlichen Pinkeln im Dunkeln muss man hier ganz schön aufpassen, nicht vom geländerfreien Eingangsbereich der Terrasse heruntergeweht zu werden. Kathis Blick verrät, dass sie das selbe denkt wie ich: Bei dem Wind wird des nix…

Als die Optimisten, die wir sind stehen wir trotzdem auf, frühstücken und machen uns fertig, aber der Wind hört nicht auf. Auch um 06:00 ist es noch nicht besser geworden. Das Wetter ist zwar traumhaft und die Sicht ist gut, aber der Wind ist einfach stark – zu stark für eine Gratklettertour finden wir. Wäre es trotzdem machbar gewesen? Wahrscheinlich. Aber die Tour ist ohnehin an unserem Limit – einfach sau lang und vorallem ohne Möglichkeiten zum abbrechen/umdrehen. Sobald man den ersten von vielen Abseilern am Grat gemacht hat gibt es kein zurück mehr.

Sonnenaufgang in der Biwakschachtel

Seit meinem Lawinenunfall vor einigen Jahren bin ich in den Bergen insgesamt deutlich defensiver geworden. Lieber einmal mehr umdrehen, als die Bergrettung rufen. Schade war es schon, aber traurig waren wir nicht. Wie auch nach dem Traum-Abend auf am Grat. Eigentlich kann man hier ja den „Zustieg“ ja auch schon als anspruchsvolle Hochtour werten.

Gegen 08:30 treten wir den Abstieg an. Am Gletscher ist der Wind nicht mehr so schlimm wie am Grat und wir machen schnell Meter. Im Abstieg ist das Steilstück nochmal eine Challenge es ist zwar eigentlich nicht so schwer, aber ausrutschen ist hier absolut kein Option. Da wir von oben betrachtet jetzt draufkommen, was für eine bescheuerte Route wir eigentlich aufgestiegen sind, nehmen wir im Abstieg jetzt den etwas längeren weg über den Hoffmanns Weg (Um dorthin zu kommen muss man trotzdem noch genug gschissene Geröllfelder queren – das macht im Abstieg leider genausowenig Spaß wie im Aufstieg 😉

Wie wir wieder auf der Franz Josefshöhe ankommen ist es Samstag Mittag. Die schöne Ruhe, die es um 07:00 gab ist jetzt weg. Im Sekundentakt rauschen Autos und Biker am vollen Parkhaus vorbei – in den Lokalen findet man kaum einen Platz. Da fragt man sich schon, ob das noch gesund ist…

Anyway – das Schnitzel schmeckt gut, das Bier auch – die Tour war lässig! Und eines ist klar – we will be back! Nicht nur, weil mir der je nach Liste vierthöchste Berg (Glocknerwand) noch auf meiner Liste steht, sondern auch, weil ich endlich wissen will, wie der Grat wirklich ausschaut. Von der Biwakschachtel siehts auf jeden Fall vielversprechend aus!

5 Replies to “Großglockner, die Nordseite – ein Experiment”

  1. Servus Jakob! Stimmt so nicht ganz- zur Glocknerwandüberschreitung wurde früher oft über das Glocknerbiwak nordseitig zugestiegen. Im AV- Führer Glocknergruppe sind alle alten Anstiege sehr gut beschrieben:
    R 1089 Ostgrat (Glocknerwandcamp), 20.7.1906, Kaltenbrunner/ Weitzenböck: Firngrat bis 45°, III-, 460 Hm, 2 1/2 Std. Eleganter Anstieg zur Hofmannspitze. Von der Biwakschachtel am ansteigenden Firnkamm aufwärts, über zwei Felsköpfe und am Firngrat weiter zu einem Turm, schwierig über diesen. Es folgt ein steiler Firngrat zu Pkt: 3.640 m (Ansatz der Pallavicini Wechte. Benannt nach dem Grafen, der dort am 26.6.1886 mit drei weiteren Gefährten tödlich durch Wechtenbruch abstürzte)- Vereinigung mit dem NW- Grat und weiter auf die Hofmannspitze (1. Gipfelgratturm).
    Anmerkung: Bei Ausaperung ist der Grat deutlich schwieriger als zu Zeiten der Erstbegehung bzw. bei viel Schnee. Steinschlaggefahr!
    Zusatz: seehr lange und fordernde Tour- wenn du da durchgehend mit Seil sicherst bzw. gehst, schaffst du das nicht in einem Tag zum Glocknergipfel.

    1. Seas Michi!

      Danke für die Info! An Bücher habe ich garnicht gedacht – ich plane meine Touren eigentlich immer nur mit Internet, AV-Karten und Erfahrungen von Bekannten. Vielleicht sollte ich damit Anfangen.
      Von einem Abbruch Richtung Süden hab ich auch gehört, aber wie du schon sagst eher eine Notlösung als ein schöner Plan.
      Danke für den Hilfreichen Kommentar!

      1. Bitteschön!
        Planung mit Internet ist gut, Planung mit Büchern um Welten besser! Da stehen oft sehr wichtige Sachen drinnen, die in diversen Internetbeiträgen oft fehlen…

  2. Noch was: Abbruchmöglichkeiten Richtung Süden sind vorhanden: R1078- Südflanke, R1079- Südcouloir oder R1080A- Südwand. Alle Touren bei Schnee zwischen 35 und 45°, bei Ausaperung Schotterklump.
    Südcouloir setzt vor dem 4. Turm (Draschturm) an
    Südflanke geht zum 2. Gipfelgratturm (Pöschlturm)
    Südwand nach dem 7. Turm (Hörtnaglturm)…
    Alle genannten Möglichkeiten sind bei unguten Verhältnissen (Ausaperung) anspruchsvoll.

    1. Michl, richtig. Vor wirklich vielen Jahren (ca. um 2000) musste wir nach der Glocknerwandüberschreitung beim 1. großen Abseiler abbrechen. Wir waren zu spät dran weil wir von der Oberwalderhütte starteten und uns dann gleich am Pasterzenboden nächtliche Spalten mächtig Zeit kosteten. Als Zustieg wählten wir ausgehend von der Oberwalderhütte: Schneewinkelscharte – Romariswandkopf – Teufelskamp als sich uns am Glocknerwandgrat dann auch noch ein Gewitter näherte. Anstatt abzuseilen stiegen wir praktisch vom Abseilpunkt nach Südwesten ab (anfangs unangenehmes, ein wenig gefährliches „Geh“-gelände, plattig, abschüssig mit Grus drauf) und erreichten ziemlich bald eine Schneerinne die uns durchgehend direkt hinuter bis auf das Teischnitzkees brachte. Die Rinne war durchwegs steilere Schneestapferei.
      Die Stüdlhütte erreichten wir im Finstern, aber das Bier schmeckte trotzdem. Immerhin hatten wir ja alle Türme der Glocknerwand überschritten.
      Den Aufstieg zur Hofmannspitze über den Nordgrat vom Teufelskamp kommend habe ich übrigens als sehr einfach in Erinnerung (teils ausgesetzt, aber fast durchwegs Gehgelände). Die eigentliche Kletterei beginnt erst ab Hofmannspitze. Über den Aufstieg vom Biwak zum Nordgrat kann ich nichst sagen, da ich den nicht gegangen bin.

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